Ein Brief an die Fraktionen der Stadt Staufenberg
Sehr geehrte Damen und Herren,
der NABU-Staufenberg möchte die Kommunalwahl 2021 zum Anlass nehmen, Ihnen als zukünftige Vertreter im Stadtparlament und damit als Verantwortliche für eine zukunftsorientierte Stadtpolitik
einige Anstöße zu den aus unserer Sicht besonders wichtigen Themenfeldern des Natur- und Umweltschutzes vorzubringen.
Die Welt steht momentan und langfristig vor zwei großen Herausforderungen: Klimakrise und Verlust der Biodiversität. Beides wird das Leben zukünftiger Generationen maßgeblich beeinflussen. In
Kommunen und im kommunalen Umfeld liegen große Potenziale, um dem Klimawandel und dem Verlust der Biodiversität entgegenzuwirken.
Der NABU-Staufenberg hat im Folgenden einige Handlungsvorschläge aufgeführt, die hier in Staufenberg auf kommunaler Ebene dazu beitragen können, sowohl dem Artenverlust als auch dem Klimawandel
entgegenzutreten. Wir bitten Sie, diese Überlegungen aufmerksam zu prüfen und ggf. in Ihr Wahlprogramm aufzunehmen.
1. Waldbewirtschaftung
Lebensraum, Trinkwasserproduzent, Kohlenstoffspeicher: Wälder erfüllen viele überlebenswichtige Funktionen für uns und die Natur. Sie sind durch den Klimawandel (Trockenheit) extrem gefährdet.
Der Wald in Staufenberg sollte ökologisch verträglich bewirtschaftet werden, sodass die Bürger den Wald als abwechslungsreichen Erholungsraum und intakten Lebensraum für Pflanzen und Tiere
erleben können. Wirtschaftswälder sollten als vielfältige Mischwälder mit heimischen und standortgerechten Baumarten entwickelt werden. Der Naturverjüngung kommt hier eine besondere Bedeutung zu.
Entwässerungsgräben im Wald sollten wo immer möglich verschlossen werden, um möglichst viel Wasser im Wald zurückzuhalten. Auf einen ausreichenden Anteil an Habitatbäumen sowie stehendes und
liegendes Totholz zur Förderung der Artenvielfalt ist zu achten.
2. Fließgewässer und Aue
Die Lumda ist landschaftsprägend für unseren Ort. Leider befindet sie sich im Bereich der Stadt Staufenberg in einem naturfernen Zustand. Kanalisierung, Wehre und insbesondere fehlende
Gewässerrandstreifen sind das prägende Bild der Lumda. Die ökologische Funktion der Lumda einschließlich der dazugehörenden Aue sollte deshalb durch gezielte Renaturierungsmaßnahmen verbessert
werden. Damit der Fluss frei fließen und insbesondere im Außenbereich seine ökologische Funktion wahrnehmen kann, sollten soweit möglich mindestens 10 Meter breite Gewässerrandstreifen
ausgewiesen und Uferverbauungen sowie Querbauwerke soweit wie möglich zurückgebaut werden. An den vorhandenen Wehren sollten Möglichkeiten für den Bau von Fischaufstiegsanlagen zur Schaffung der
ökologische Durchgängigkeit geprüft werden. Auf die Umsetzung des im Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie für die Lumda erarbeiteten Maßnahmenprogramms ist hinzuwirken.
Grundsätzlich ist eine Bebauung im Auenbereich zu unterlassen, damit die Aue neben ihren sonstigen Funktionen, auch ihren natürlichen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten kann. Für die
Gewässerreinhaltung, den Grundwasserschutz und die Artenvielfalt sollte hier nur eine extensive Grünlandnutzung ohne Düngung und Pestizideinsatz stattfinden. Eine Räumung der zuführenden Gräben
und Bäche sollte nur im unbedingt notwendigen Umfang sowie schonend, d.h. möglichst ohne Beeinträchtigungen der Natur, durchgeführt werden. Dafür ist ein abschnittsweises Vorgehen, eine zeitliche
Beschränkung auf den Monat Oktober sowie der Einsatz per Hand oder kleinem Gerät erforderlich.
3. Insektenschutz
Nach Angaben des NABU ist der massive Insektenschwund eines der Zeichen dafür, wie gestresst unsere Ökosysteme bereits heute sind. Es wird davon ausgegangen, dass die terrestrischen
Insektenpopulationen pro Jahr um derzeit knapp ein Prozent zurückgehen. Das mag zuerst nach keinem großen Rückgang klingen, doch nach nur einer Dekade wären bereits zehn Prozent der
Insektenpopulationen verschwunden. Andere Studien nehmen zudem höhere Schätzungen an und beziffern den Rückgang auf bis zu sechs Prozent pro Jahr. Wenn die Bestäuber komplett wegfielen, könnte
dies einen potenziellen wirtschaftlichen Schaden von 3,8 Milliarden – pro Jahr, nur für Deutschland bedeuten (vergl.
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/insektensterben/26943.html).
Deswegen sollten Wegeraine, Wege und Randstreifen in der Landschaft konsequent erhalten und durch eine angepasste Pflege artenreich entwickelt werden. Die blütenreichen Wegraine sollten unbedingt
zu der Hauptmahdzeit der Wiesen in der Region stehen gelassen werden, um Insekten einen Rückzugsraum zu bieten. Die erst kürzlich verabschiedete Feldwegesatzung, die die Biodiversität in der
freien Landschaft fördert, sollte konsequent umgesetzt werden. Weitere innerörtliche Blühflächen können einen zusätzlichen Beitrag zur Artenvielfalt leisten. Für Grünflächen in der Stadt ist eine
zweischürige Mahd mit Abtransport des Mahdgutes zu empfehlen, um den Blütenreichtum zu erhöhen.
In den durch Ackernutzung geprägten Landschaftsteilen Staufenbergs sollten Einzelbäume oder Gehölzgruppen zur Steigerung der Strukturvielfalt gefördert werden.
Obstwiesen als wichtiges Kulturbiotop (Lebensraum für ca. 5000 Tier- und Pflanzenarten) sollten erhalten und entwickelt werden. Ein Pflegekonzept sollte erarbeitet werden. Die Stadt Staufenberg
sollte der Landschaftspflegevereinigung u.a. aus diesem Grund wieder beitreten.
4. Flächen- und Bodenschutz
Täglich werden in Deutschland mehr als 60 Hektar für Siedlungs- und Verkehrsflächen verbraucht (NABU 2020: Nachhaltige Siedlungsentwicklung. Das NABU-Grundsatzprogramm zum Planen und Bauen in
Deutschland, Seite 7). In Summe entspricht das jährlich einer Fläche so groß wie Frankfurt am Main. Wo Fläche verbraucht wird, wird der Boden mitsamt seinen Funktionen für die
Grundwasserneubildung, als Wasserspeicher, Wasserfilter, Kohlenstoffspeicher sowie nicht zuletzt als Lebensgrundlage für Pflanze, Tier und Mensch zerstört. Aus der ökologischen Perspektive
bewirkt der hohe Flächenverbrauch vor allem die Zerstörung und Zerschneidung von vernetzten Lebensräumen für Pflanzen und Tiere. Dies alles führt letztendlich zu einer Beschleunigung von
Artensterben und ungewollter Klimaerwärmung.
Die Innenentwicklung muss deshalb immer Vorrang vor der Entwicklung von Baugebieten im Außenbereich der Stadt haben. Brachliegende, leerstehende oder mindergenutzte Flächen bzw. Gebäude werden
mobilisiert und effizient genutzt, soweit dem im Einzelfall kein übergeordneter Freiraum- oder Naturschutzbelang entgegensteht. Ein gemeindliches Baulücken-, Leerstands- und Nutzflächenkataster
ist verbindlich anzulegen. Eine verdichtete Bauweise, wie sie in Staufenberg z.B. im Lindenweg umgesetzt wurde, sollte der Normalfall sein. Dabei sollte auf den ortsbildprägenden Charakter der
Gebäude geachtet werden (Gestaltungssatzung). Zisternen, Solaranlagen oder Dachbegrünung sollten in Bebauungsplänen verbindlich festgesetzt, Schottergärten dagegen grundsätzlich ausgeschlossen
werden. Die Einhaltung von Festsetzungen in Bebauungsplänen und sonstiger planerischer Vorgaben ist zu kontrollieren, die dafür erforderliche personelle Ausstattung zu schaffen. Es ist dafür
Sorge zu tragen, dass der gesetzliche Schutz von gebäudebewohnenden Arten wie bspw. Vögel und Fledermäuse eingehalten wird.
Was für Baumaßnahmen im Innenbereich anzustreben ist, gilt in besonderem Maße auch für solche im Außenbereich. Da hier die Planungsmöglichkeiten viel größer sind, sollten neue umwelt- und
landschaftsverträgliche Konzeptionen erarbeitet werden, die auch den sozialen und demographischen Aspekt nicht vernachlässigen.
Bei der Planung von Verkehrswegen muss dem Fuß- und Radverkehr mehr Beachtung geschenkt werden.
Die Beratung von Bürgern zum Thema klimaneutrale und ressourcenschonende Strom- und Wärmegewinnung vor Ort sollte verstärkt werden.
Der Bestand an naturschutzrechtlichen Ausgleichsflächen mit den entsprechenden Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen sollte für die Bürger transparent gemacht werden. Die Vernetzung von Ökosystemen
sollte bei der Konzeption möglicher Ausgleichsmaßnahmen Berücksichtigung finden. Auch hier könnte die Landschaftspflegevereinigung hilfreiche Dienste leisten.
5. Verschiedenes
Ideen für die Direktvermarktung von in der Region vorzugsweise ökologisch erzeugten landwirtschaftlichen Produkten sollte unterstützt werden.
Es würde uns freuen, wenn Sie die oben angerissenen Themenfelder in Ihrer Fraktion weiter diskutieren würden. Mit einer Übernahme der Vorschläge in Ihr Wahlprogramm könnte aus der Sicht des NABU
Staufenberg ein wertvoller Beitrag für den Klimaschutz und die Artenvielfalt in Staufenberg geleistet werden. Gerne sind wir bereit, zu den angesprochenen Themen mit Ihnen in einen direkten
Dialog zu treten.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Ebel
(Vorsitzender)